Nähfrauen aus Kollmar fertigen Herzkissen für das Johannis-Hospiz

Ein bisschen menschliche Wärme für den letzten Weg

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Menschen, die ein Zimmer im Hospiz beziehen, wissen genau, was sie erwartet. Nämlich fachkundige Betreuung in ihrer letzten Lebensphase, wenn es keine Hoffnung auf Heilung ihrer Erkrankung mehr gibt. Womit sie nicht unbedingt rechnen, ist der warme Empfang in der letzten Station ihres Lebenswegs. Die Zimmer im Elmshorner Johannis-Hospiz sind nicht nur hell und einladend gestaltet, sondern erwarten ihre neuen Bewohner*innen auch mit einem handgefertigten Kissen in Herzform auf dem Kopfende des Bettes.

Ein gutes Dutzend Frauen aus Kollmar kümmert sich um den Nachschub an Herzkissen. Wann sich die Nähfrauen zum ersten Mal zusammengefunden haben, weiß Hilke Reimers nicht mehr so genau. „Ein paar Jahre vor Beginn der Corona-Pandemie wird es gewesen sein.“ Doch die 50-Jährige erinnert sich noch genau an den Anruf von Doreen Welack, die das Johannis-Hospiz leitet und mit der sie seit ihrer Ausbildung zur Krankenschwester befreundet ist: „Die Dame, die bislang Herzkissen für uns genäht hat, kann das nicht mehr weitermachen. Hast du eine Idee, wer das übernehmen könnte?“, fragte ihre Freundin sie.

Hilke hatte eine Idee. Sie kontaktierte den DRK-Ortsverein und hatte binnen kürzester Zeit eine Gruppe von Frauen um sich versammelt, die gern Herzkissen für Menschen im Hospiz nähen wollten. Und im Vereinshaus der Elmshorner Wanderpaddler in Kollmar, die ihre Räumlichkeiten auch der Gemeinde und verschiedenen Interessengruppen zur Verfügung stellen, fanden die Damen einen Raum für ihre Arbeit.

Wann immer sie vom Hospiz die Nachricht bekommt, dass die Herzkissen knapp werden, benachrichtigt Hilke die Nähfrauen über ihre WhatsApp-Gruppe. „Wir treffen uns immer mittwochs. Es ist ganz unkompliziert: Wer Zeit hat, kommt. Und wer keine Zeit hat, ist dann eben beim nächsten Mal dabei“, erzählt sie. „WhatsApp ist eine super Sache, wenn man eine Gruppe koordinieren möchte.“ Wenn der nächste Termin feststeht, packen die Frauen ihre Nähmaschinen ein und bauen sie an zwei Tischen in einem der Räume des Wanderpaddler-Vereinshauses auf.

Die Stoffe für die Herzkissen sind Spenden aus ihrem Freundes- und Bekanntenkreis. Manchen Stoffen ist anzusehen, dass sie in ihrem früheren Leben einmal eine Gardine oder ein Bettbezug waren. Doch ob kariert, geblümt oder mit Tiermotiven bedruckt – Hauptsache der Stoff ist bunt, sauber und waschbar. Ausgestopft werden die Kissen mit der Füllwatte aus dem Inneren einfacher Ikea-Inlets – eine genau abgewogene Menge für jedes Kissen. Wenn es fertig ausgestopft ist, wird das Füllloch mit einem speziellen Stich per Hand zugenäht.

Helga Voß (78) ist eine der Nähfrauen und sagt: „Man braucht nicht allzu lang für ein solches Kissen. Oft haben haben wir Stoff schon zu Hause zugeschnitten. Wenn wir richtig im Flow sind, dann türmt sich am Ende eines Abends ein Riesenberg Kissen auf dem Tisch.“ Vor ihr liegt ein ganzer Stapel zugeschnittener Herzen, die sie mit der Nähmaschine zu Kissenhüllen zusammennähen will. Ihre Nähfreundin Eva Dombrowski (84) ergänzt: „Das fertig gefüllte Kissen dann mit der Hand zuzunähen, ist etwas figelinsch. Aber wir sind ja auch nicht unter Zeitdruck.“

Auch während der Corona-Pandemie waren die Nähfrauen aktiv. „Damals haben wir nicht nur Herzkissen, sondern auch Mundschutz-Masken genäht“, erinnert sich Hilke, „insgesamt bestimmt über 1.000 Stück.“ Während der Lockdowns nähte jede von ihnen zu Hause, den Kontakt hielten die Damen über ihre WhatsApp-Gruppe. „Wenn wieder eine bestimmte Menge Kissen und Masken fertig waren, hängten alle sie in Beuteln draußen an ihre Haustüren. Dann fuhr eine der Nähfrauen sie reihum ab und sammelte die Beutel ein.“

Seit Ende der Pandemie treffen sich die Nähfrauen lieber wieder im Vereinshaus und nähen gemeinsam. Mittlerweile fertigen sie neben den großen Herzkissen, die am Kopfende der Betten im Hospiz platziert werden, auch kleine Herzkissen. Diese werden gern zum Abstützen der Hangelenke oder der Fersen verwendet. Daneben haben die Nähfrauen neuerdings auch Körnerkissen im Programm, die man in der Mikrowelle aufwärmen und wie eine Wärmflasche nutzen kann. Jedes Körnerkissen besteht aus einem mit Weizenkörnern gefülltes Inlet, drumherum ein waschbarer Bezug, „damit die Körnerkissen im Hospiz bleiben und auch für verschiedene Gäste genutzt werden können“, erklärt Hilke.

Die Herzkissen sind dagegen ganz individuell für einzelne Personen bestimmt. Wenn die Hospizgäste dann sterben, nehmen viele Angehörigen die Kissen mit nach Hause. Manche Verstorbene werden aber auch noch im Sarg auf ihr Herzkissen gebettet. „Wir hören immer wieder aus dem Hospiz, dass die Gäste sehr dankbar für die Kissen sind“, berichtet Hilke, „so ein handgefertigtes Kissen schenkt ein bisschen menschliche Wärme.“ Genau darum geht es auch Eva Böde (74): „Ich bin eigentlich keine große Näherin. Aber so ein Kissen ist etwas Persönliches, mit dem man den Menschen auf ihrem letzten Weg eine Freude machen kann.“

„Es ist eine dankbare Aufgabe, diese Kissen zu nähen“, findet Hilke. Und natürlich wird beim gemeinsamen Zuschneiden, Nähen, Füllen und Verschließen der Kissen auch viel gelacht und geschnackt: Längst sind sich die Nähfrauen auch gegenseitig ans Herz gewachsen. Beim Johannis-Hospiz kann man sich also sicher sein, dass der Nachschub an Herzkissen so schnell nicht versiegen wird.

www.johannis-hospiz.de