Vereinsarbeit im Ruderclub hat viele Facetten

Ein fairer Mannschaftssport in der freien Natur

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Das Gelände des Elmshorner Ruderclubs (ERC) liegt kurz vor dem Ortsausgang hinter dem Krückaudeich. Peter Westphal kennt es in- und auswendig, schließlich hat er hier von Kindesbeinen an seine Freizeit verbracht. Der 55-Jährige, in Elmshorn geboren und aufgewachsen, hat die Krückaustadt nur für die Zeit bei der Bundeswehr verlassen und arbeitet als Leiter des Controllings bei Peter Kölln. Daneben engagiert er sich als erster Vorsitzender des ERC: „Meine Eltern waren beide aktive Ruderer, ich bin also schon früh reingewachsen ins Ruderleben. Erst war ich als Kielschwein mit im Boot unterwegs, seit meinem 12. Lebensjahr rudere ich selbst.“ Für alle, die mit Wassersport-Vokabular nicht so vertraut sind: Ein Kielschwein ist im Rudersport ein zusätzlicher Passagier, der ohne eigenen Steuer- oder Ruderplatz etwas unbequem im Bootsrumpf sitzen muss.

Die Kindheit und Jugend im Ruderclub war für Peter eine prägende Zeit: „Als 14-Jähriger habe ich begonnen, das Rudern als Leistungssport zu betreiben, fünfmal pro Woche trainiert und immerhin viermal an den Deutschen Meisterschaften teilgenommen“, berichtet er. Nachdem er sich aus dem Wettkampfleben zurückgezogen hatte, stieg er nahtlos in die Jugendarbeit ein. Im Verein lernte er auch seine ebenso ruderbegeisterte Frau kennen: „Unsere drei Kinder rudern ebenfalls. Ihnen ging es wie mir, das Rudervirus hat sie früh gepackt“, schmunzelt er. Seine jüngste Tochter ist ehrgeizig und hat – ebenso wie etliche weitere Jugendliche des ERC – in den vergangenen Jahren bei den Deutschen Jugendmeisterschaften mehrere Bronze- und Silbermedaillen gewonnen.

Über mangelnden Nachwuchs kann sich der ERC derzeit nicht beklagen. Nachdem der Verein dieses Jahr an zwei Elmshorner Schulen vernetzte Ruderergometer aufstellte und die Schüler*innen zu einem virtuellen Ruderrennen animierte, kamen Dutzende zum Probetraining. 25 von ihnen füllten einen Mitgliedsantrag aus und gehören nun der ERC-Jugendsparte an. Beim Wettbewerb ‚Sterne des Sports‘ gab es dafür auf lokaler Ebene den ersten Platz, der Verein kann sich nun Hoffnung auf eine Platzierung auf Landesebene machen. „Das war eine tolle Aktion“, schwärmt Peter, der sich jedes Jahr aufs Neue um die Rekrutierung des Nachwuchses kümmert. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen gibt es schließlich immer eine gewisse Fluktuation: „Manche gehen für ein Austauschjahr ins Ausland, viele verlassen Elmshorn für Ausbildung oder Studium, und natürlich verlieren einige nach einer Weile auch das Interesse am Rudern. Das ist ganz normal.“

Wenn die Trainer*innen merken, dass ein Kind besonders talentiert ist und Interesse an Ruderwettkämpfen zeigt, stellen sie den Kontakt zum Landesruderverband her, der die schleswig-holsteinischen Kader für bundesweite Wettbewerbe zusammenstellt. „Die Kinder und Jugendlichen können dann an Trainingslagern an der Ruderakademie in Ratzeburg teilnehmen, wo es noch mehr Möglichkeiten gibt es als hier in Elmshorn“, berichtet Peter. Er betont allerdings, dass nicht in allen Rudersparten der Leistungsgedanke im Vordergrund steht: „Rudern ist ein supergesunder Ausdauersport, den man bis ins hohe Alter ausüben kann.“ Tatsächlich ist das älteste aktive Vereinsmitglied bereits 89 Jahre alt. „Außerdem ist Rudern ein Mannschaftssport, ist sehr fair, es gibt keine Fouls.“

Die ERC-Mitglieder haben die Wahl zwischen Freizeitrudern, Wettkampfsport und Wanderrudern. „Bei den Wanderruderfahrten lernt man Landschaft und Natur vom Wasser aus kennen“, erzählt Peter. Ihm selbst fehlt bei den großen deutschen Flüssen nur noch die Donau in seiner Rudersammlung, „ansonsten war ich schon überall auf dem Wasser unterwegs“. Seit Neuestem hat der Verein auch das Coastel Rowing in sein Programm aufgenommen. „Dabei wird  in speziellen Booten auf dem Meer an der Küste gerudert. Das ist ein neuer Trend im Rudersport, der in den kommenden Jahren vermutlich eine wachsende Rolle spielen wird, da ab 2028 diese Disziplin auch in das olympische Programm mit aufgenommen wurde“, prognostiziert der ERC-Vorsitzende.

Wer im Verein rudern möchte, braucht kein eigenes Boot – lediglich Sportkleidung und für Wanderruderfahrten ggf. eine Rettungsweste. Der Verein besitzt knapp 60 eigene Ruderboote, die über zwei Bootsstege ins Wasser der Krückau gelassen werden können. Neben den wöchentlichen Rudertrainings werden Rudercamps, Ferienfreizeiten, Wanderfahrten und auch Zelten auf dem Vereinsgelände angeboten. Seit Eröffnung des neuen Vereinsheims 2016 gibt es auch viele Möglichkeiten zum Training und Zusammensein in geschlossenen Räumen. So beherbergt das großzügige Gebäude einen großen Fitnessraum mit Panoramablick über den Krückaudeich, in dem die Mitglieder an Ruderergometern und anderen Geräten trainieren können. Die Kids können sich in den Jugendraum zurückziehen und erwachsene Mitglieder nutzen gern den großen Multifunktionsraum für Zusammenkünfte nach dem Rudern wie z.B. beim Kürbis- oder Erdbeer-Rudern.

„Der Neubau des Vereinshauses war ein echter Kraftakt“, erinnert sich Peter. Die Planungen zogen sich von 2010 bis 2016 hin, nachdem der Verein in einer Zukunftskonferenz die ersten Grundlagen dafür geschaffen hatte. „Doch wir hatten ein tolles Team, das dieses Projekt begleitet hat.“ Neben dem Landessportverband, dem Kreis Pinneberg und dem Verein selbst beteiligte sich auch die Stadt Elmshorn an der Finanzierung. „Man muss das wirklich einmal herausstellen: Elmshorn ist in Schleswig-Holstein super in der Sportförderung“, meint Peter, der von anderen Vereinen regelmäßig hört, dass deren Kommunen kaum Geld in den Sport investieren.

Die Kehrseite der Medaille ist, dass die Beantragung von Sportförderung sehr viel Zeit kostet und einen langen Vorlauf benötigt.„Was kleinen Vereinen ohne hauptamtliche Geschäftsführung alles an Bürokratie aufgebürdet wird, ist teilweise schon enorm“, erzählt Peter. Als Berufstätiger findet er in der Regel erst abends zwischen 20 und 22 Uhr Zeit, sich mit dem Papierkram zu beschäftigen. Dennoch macht ihm die Vorstandsarbeit viel Spaß: „Mir hat der Sport während meiner eigenen Jugend viel gegeben, das möchte ich auch Jüngeren gern weitergeben.“

Besonders wichtig ist ihm das Miteinander im Verein, Rudern ist Teamsport: „Es schult das Sozialverhalten ungemein, wenn Jung und Alt in Kontakt miteinander sind.“ Denn beim ERC können sich die Mitglieder der verschiedenen Sparten und Trainingsgruppen nicht aus dem Weg gehen, alle kommen zu denselben Zeiten zum Rudern. Grund hierfür ist eine Elmshorner Besonderheit: Weil die Krückau ein tidenabhängiger Fluss ist, kann nur bei Hochwasser darauf gerudert werden. Die Trainingszeiten sind dadurch – z. B. im Vergleich zu Rudervereinen an der Hamburger Alster – deutlich eingeschränkt. Doch Peter sieht das nicht als Nachteil: „Auf diese Weise sind die Vereinsmitglieder in viel engerem Kontakt, und jeder kennt jeden.“

Problematischer als die Tidenabhängigkeit findet der ERC-Vorsitzende die zunehmende Verschlickung der Krückau. Schiffe mit größerem Tiefgang haben zwar viel größere Probleme als Ruderboote. „Doch bei Begegnungen auf dem Fluss müssen auch wir sehr aufpassen, weil die großen Schiffe aufgrund des Schlicks das Rechtsfahrgebot nicht immer einhalten können.“ Zusammen mit den Vereinen, die sich um den Ewer Gloria, das historische Frachtschiff Klostersande und die Fähre Kronsnest kümmern, engagiert sich der ERC in einer Interessengemeinschaft gegen die Verschlickung der Krückau. Ginge es nach den Ruderern, würde am Krückausperrwerk eine Schleuse eingerichtet. „Dann könnten nicht nur Motor-, Segel- und Ruderboote immer fahren, auch der Hafen hätte durchgehend Wasser – und das würde die Aufenthaltsqualität und Attraktivität der Innenstadt doch erheblich steigern“, meint Peter.

www.erc09.de